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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 36/06
Rechtsgebiete: BGB, EFZG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 174 Satz 1
EFZG § 3
ZPO § 520
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 4 Sa 36/06

Entscheidung vom 27.04.2006

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 10.11.2005 - 2 Ca 1216/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge zweier Arbeitgeberkündigungen sowie um Zahlungsansprüche.

Seit 22.03.2004 ist der Kläger bei der Beklagten als Schlosserhelfer beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Nach § 5 des Arbeitsvertrages beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden pro Woche, der Kläger erhielt einen Bruttostundenlohn von 10,00 €. Die Vergütung ist jeweils am 15. eines Monats fällig. Im Arbeitsvertrag ist weiter geregelt, dass sich alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, von den Vertragsparteien binnen einer Frist von 1 Monat seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind und im Falle ihrer Ablehnung binnen einer Frist von zwei Monaten gerichtlich.

Am Freitag, dem 29.07.2005 kehrte der Kläger von einem Montageeinsatz auf einer Baustelle in H. zurück. Er erbrachte in der Folgezeit keine Arbeitsleistungen mehr für die Beklagte.

Aufgrund der Beklagten vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war der Kläger vom 08.08. bis 10.08. und vom 15.08. bis 19.08.2005 arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.07.2005, zugegangen am 29.07.2005 ordentlich zum 31.08.2005. Das Kündigungsschreiben war durch die Bürokraft Frau W. mit dem Zusatz "i. A." unterzeichnet, wobei eine Vollmacht nicht beigefügt wurde. Der Kläger wies mit Schreiben vom 01.08.2005 die Kündigung aus diesem Grunde zurück und erhob am 05.08.2005 Kündigungsschutzklage. In dieser Klage rügte er die fehlende Vollmachtsvorlage.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 11.08.2005 das Arbeitsverhältnis außerordentlich, weil der Kläger seit 31.07.2005 unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei. Er habe über seine Arbeitskollegen ausrichten lassen, er komme nicht mehr.

Diese Kündigung griff der Kläger mit Kündigungsschutzklage am 23.08.2005 an.

Er verfolgt erstinstanzlich weiter die Zahlung aus Annahmeverzug, da die Beklagte in den Monaten Dezember 2004, Januar, Februar, März, Mai, Juni und Juli 2005 weniger als die vertraglich vereinbarte Wochenstundenzahl abrechnete sowie für August und September 2005 überhaupt keine Vergütung gezahlt wurde.

Der Kläger hat vorgetragen, am Abend des 29.07.2005 habe ihm Frau W. erklärt, auf der Baustelle sei so wenig zu tun, er solle nicht mitfahren. Am Montag habe er sich mit der Zeugin darauf geeignet, dass er in der 31. Kalenderwoche unbezahlten Urlaub nehme. Anschließend sei er wegen einer Sehnenscheidenentzündung arbeitsunfähig gewesen. Am 11.08.2005 habe er mit der Zeugin telefonisch weitere zwei Tage unbezahlten Urlaub vereinbart. Dass er seine Arbeit nicht habe niederlegen wollen, zeige sich auch daran, dass er seine Arbeits- und Freizeitkleidung in H. zurückgelassen habe. Soweit er in der Vergangenheit einen Abkehrwillen bekundet haben sollte, hätten sich auch die übrigen Mitarbeiter öfter entsprechend geäußert, da die Beklagte keine vertragsgemäßen Zahlungen geleistet habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 26.07.2005, zugegangen am 29.07.2005, nicht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.08.2005 hinaus fortbesteht,

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 11.08.2005, zugegangen am 17.08.2005, nicht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht,

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.500,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 240,00 € seit 16.01.2005 aus 70,00 € seit 16.02.2005, aus 20,00 € seit 16.03.2005, aus 260,00 € seit 16.04.2005, aus 400,00 € seit 16.06.2005, aus 130,00 € seit 16.07.2005, aus 340,00 € seit 16.08.2005 aus 1.280,00 € seit 16.09.2005 und aus 1.760,00 € seit 16.10.2005 zu zahlen,

5. die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Lohnabrechnung unter Berücksichtigung des Klageantrages zu 4. für die Monate August und September 2005 zu erstellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger habe am Abend des 29.07.2005 erklärt, er werde ab dem kommenden Montag nicht mehr arbeiten und am Sonntagabend nicht zur Abfahrt nach H. kommen, weil er mit Schwarzarbeit mehr verdienen könne und ohnehin beabsichtige nach Luxemburg zu wechseln. Er sei dann unentschuldigt ab 31.07.2005 der Arbeit ferngeblieben. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seien erst nachträglich vorgelegt worden und nicht geeignet, den Kläger zu entlasten bzw. seine Arbeitsunwilligkeit zu widerlegen. Da dies bereits der 2. Fall unentschuldigten Fehlens gewesen sei, habe sie nach 10 Tagen die fristlose Kündigung ausgesprochen.

Im Dezember 2004 habe sie 16 Stunden auf Urlaub verrechnet, im Januar, Februar und März 2005 habe sie die vom Kläger geleisteten Stunden vergütet. Auch im Juli sei eine Verrechnung mit unbezahltem Urlaub erfolgt. Für August und September bestünden keine Vergütungsansprüche mehr, da der Kläger die Arbeitsaufnahme verweigert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 10.11.2005 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend entsprochen. Es hat ausgeführt die fristlose Kündigung vom 11.08.2005 sei unwirksam. Ob der Kläger tatsächlich ab 01.08.2005 eine entsprechende Ankündigung wahr machte, die Arbeit mehrtägig und beharrlich zu verweigert bedürfe keiner Aufklärung. Der fristlosen Kündigung hätte jedenfalls eine Abmahnung vorausgehen müssen, die unstreitig nicht erfolgt sei. Durch eine Abmahnung müsse der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu korrigieren. Die negative Prognose, die Wiederherstellung des notwendigen Vertrauensverhältnisses sei nicht mehr möglich und eine Abmahnung daher entbehrlich, sei nur gerechtfertigt wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend sei, dass das Vertrauensverhältnis bereits durch den einmaligen Vorfall zerstört sei, wenn der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens wegen der Evidenz wegen der Pflichtwidrigkeit kannte oder kennen musste und wen von vorneherein etwa wegen Uneinsichtigkeit feststehe, dass eine Abmahnung keinen Erfolg verspreche. Eine derartige Situation läge nicht vor. Es sei nicht anzunehmen, dass der Kläger nach einem entsprechenden Hinweis der Beklagten seine Arbeitstätigkeit wieder aufgenommen hätte, soweit er gesund war. Auch bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er seine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuschte. Unerheblich sei auch, dass es sich nach der Behauptung der Beklagten bereits um den zweiten Fall unentschuldigten Fehlens gehandelt haben sollte. Zum einen habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, wann genau der Kläger schon einmal unentschuldigt gefehlt haben soll, zum anderen würde ein derartiger früherer Vorfall die Beklagte nicht der Notwendigkeit einer Abmahnung entheben.

Auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung könne auf diese Gründe nicht gestützt werden. Die ordentliche Kündigung vom 26.07.2005 sei unwirksam und führe nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil sich die Unwirksamkeit der Kündigung aus § 174 Satz 1 BGB ergebe. Sie sei auch sozial nicht gerechtfertigt. Der vom Kläger gestellte allgemeine Feststellungsantrag sei abzuweisen, weil andere Beendigungstatbestände als die Kündigungen der Beklagten nicht ersichtlich seien.

Die Zahlungsansprüche seien begründet. Soweit in der Vergangenheit Arbeit im Umfang von weniger als 40 Wochenstunden zugewiesen sei, habe sich die Beklagte in Annahmeverzug befunden. Daher stünden für Dezember 2004 240,00 €, für Januar 2005 70,00 €, für Februar 2005 20,00 €, für März 2005, 260,00 €, für Mai 2005 400,00 €, für Juni 2005 130,00 € und für Juli 2005 340,00 € offen. Für die Zeit vom 08.08. - 10.08.2005 und vom 15.08. - 19.08.2005 folge der Zahlungsanspruch aus § 3 EFZG. Durch den Ausspruch der unwirksamen fristlosen Kündigung am 17.08.2005 sei die Beklagte in Annahmeverzug geraten. Es ergäben sich somit für August 2005 weitere 1.280,00 € und für September 2005 weitere 1.760,00 €. Die Zahlungsansprüche seien nicht verfallen, weil die formularmäßig vereinbarte Ausschlussfrist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unwirksam sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 11.01.2006 zugestellt. Sie hat am 12.01.2006 Berufung eingelegt. Ihre Berufung hat sie mit am Montag, 13.03.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte setzt sich mit den Feststellungen des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen fristlosen Kündigung vom 11.08.2005 auseinander. Deshalb habe die Beklagte über den 17.08.2005 auch keinen Lohn zu zahlen. Die Entscheidung entspreche nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Eine Abmahnung sei entbehrlich, weil der Kläger seit dem 31.07.2005 nicht nur unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei, er habe vielmehr seine Arbeitgeberin über einen Arbeitskollegen ausrichten lassen, er käme überhaupt nicht mehr und wolle nicht mehr für die Beklagte arbeiten. Er habe weder nach dem 08.08.2005 noch nach dem 19.08.2005 seine Arbeitskraft angeboten. Die Erklärung, lieber schwarz zu arbeiten und sich eine luxemburgische Arbeitgeberin zu suchen, stelle ein so krasses vertragswidriges Verhalten dar, dass der Kläger nicht davon ausgehen konnte, dies gefährde sein Arbeitsverhältnis nicht. Unter diesen Umständen sei es nicht erforderlich gewesen, ihn zunächst abzumahnen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 10.11.2005 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger bestreitet, dass er im Zusammenhang mit der Kündigung der Beklagten über seine Arbeitskollegen habe ausrichten lassen, er käme überhaupt nicht mehr und wolle auch nicht mehr für die Beklagte arbeiten. Es fehle daher an einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung und unstreitig an der erforderlichen Abmahnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 27.04.2006.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zum Teil nicht zulässig, soweit sie in zulässiger Weise begründet wurde, ist sie nicht erfolgreich. Das Rechtsmittel war insgesamt kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung sind eingehalten (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG).

Mit der Berufung wird eine Abänderung des angefochtenen Urteils im Ganzen erstrebt. Das Arbeitsgericht hat jedoch über mehrere verschiedene, rechtlich selbständige Klageansprüche, die im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht worden sind, entschieden. Eine Auseinandersetzung mit sämtlichen abteilbaren Streitgegenständen enthält die Berufungsbegründung nicht.

Die Berufung ist lediglich zulässig begründet, als sie sich mit der Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung auseinandersetzt. Hierzu enthält die Berufungsbegründung ausreichenden Tatsachen- und Rechtsvortrag i. S. d. § 520 ZPO.

Zur Zulässigkeit der Berufung ist es weiter unschädlich, dass sich die Beklagte nicht mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung und zur Begründetheit der Zahlungsansprüche ab August 2005 auseinander gesetzt hat. Wenn im arbeitsgerichtlichen Urteil über mehrere Ansprüche entschieden worden ist, muss sich die Berufungsbegründung mit jedem Einzelanspruch auseinandersetzen, der in das Berufungsverfahren gelangen soll (vgl. BAG NZA 1998, 45). Eine Ausnahme von der umfassenden Begründungspflicht gilt dann, wenn ein Anspruch von einem anderen Anspruch in seinem Bestehen unmittelbar abhängig ist. In diesem Falle ist es ausreichend, wenn sich die Berufungsbegründung allein mit den Ausführungen des angefochtenen Urteils zu dem Grundanspruch befasst (vgl. BAG NZA 1987, 808).

Die Beklagte hat sich mit den Feststellungen des Arbeitsgerichts zur außerordentlichen Kündigung auseinandergesetzt. Es macht eine Auseinandersetzung mit der Begründung des Arbeitsgerichts zu der ordentlichen Kündigung entbehrlich. Steht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung beendet wurde, kann gleichzeitig die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung zum 31.08.2005 sein Ende gefunden hat, nicht in Rechtskraft erwachsen. Insofern war die Beklagte nicht gehalten, die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur ordentlichen Kündigung mit einer auf den Einzelfall zugeschnittenen Berufungsbegründung anzugreifen. Gleiches gilt für die Lohnansprüche, die von dem Ausgang des Rechtsstreits über die außerordentliche Kündigung abhängig sind. Auch diese mussten nicht gesondert mit einer Berufungsbegründung angegriffen werden.

Demgegenüber hat sich die Beklagte in zureichender Weise nicht mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts zu den bis einschließlich Juli 2005 angelaufenen Vergütungsdifferenzen auseinandergesetzt. Die Entscheidung über diesen Anspruch ist unabhängig von der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung. Insofern fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Urteilsgründen. Dies führt in diesem Umfang zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.

II.

Die Berufung der Beklagten ist, soweit sie zulässiger Weise begründet wurde, im Ergebnis nicht erfolgreich. Das Arbeitsgericht hat mit überzeugender Begründung der außerordentlichen Kündigung auch im Wege einer etwaigen Umdeutung die Wirksamkeit versagt. Es fehlt an einer vorherigen vergeblichen Abmahnung. Die Berufungskammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass im vorliegenden Falle eine Abmahnung ausnahmsweise nicht entbehrlich war.

Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer, dem wegen eines nicht vertragsgerechten Verhaltens gekündigt werden soll, zunächst abzumahnen. Dies gilt insbesondere bei Störungen im Verhaltens- und Leistungsbereich (vgl. BAG Urt. v. 17.02.1994, 2 AZR 616/93).

Abmahnung bedeutet, dass der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt und damit deutlich, wenn auch nicht ausdrücklich den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfalle sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.

Entbehrlich ist eine Abmahnung dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte (vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 1 KSchG "verhaltensbedingte Kündigung"). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten.

Kannte der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Vertragsverhaltens, setzt er aber trotzdem hartnäckig und uneinsichtig seine Pflichtverletzungen fort, dann läuft die Warnfunktion der Abmahnung leer. Da der Arbeitnehmer erkennbar nicht gewillt ist, sein Verhalten zu ändern, müsste der Arbeitgeber auch bei Ausbruch einer Abmahnung mit weiteren erheblichen Pflichtverletzungen rechnen. Angesichts des streitigen Sachvortrags der Beklagten kann diese Ausnahmesituation nicht festgestellt werden.

Nach ihrer Einlassung hat der Kläger am Freitag, 29.07.2005 von einer Baustelle der Firma kommend erklärt, er werde am kommenden Montag nicht mehr für die Beklagte arbeiten und werde am Sonntagabend zur Abfahrt nicht kommen. Hierzu hat die Beklagte erstinstanzlich Beweis angetreten.

Dem Tatsachenvortrag ist zum einen schon nicht zu entnehmen, wem gegenüber die Erklärung abgegeben wurde, ob der Kläger über Arbeitskollegen diese Äußerung gegenüber der Zeugin W., die wohl für die Einteilung zuständig war, abgegeben hat.

Eine Erklärung, er könne mit Schwarzarbeit mehr verdienen, mag zwar irgendwann gefallen sein, dies wird vom Kläger auch nicht bestritten, zeigt aber nicht, dass der Kläger besonders hartnäckig und uneinsichtig nicht gewillt ist, seine vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen zu erbringen.

Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass dem Kläger die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens bekannt gewesen sein musste, sollte er diese Erklärung abgegeben haben, eine hartnäckige und uneinsichtige Fortsetzung der Pflichtverletzungen kann allerdings angesichts des zeitlichen Ablaufs nicht festgestellt werden. Vielmehr spricht der zeitliche Ablauf mehr dafür, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten eine Maßnahme war, auf die nach Klageerhebung gegen die ordentliche Kündigung erkennbare Prozessualsituation zu reagieren, nachdem der Kläger die Unwirksamkeit der ausgesprochenen ordentlichen Kündigung mit fehlender Vollmachtsvorlage Erfolg versprechend geltend gemacht hat. Der Kammer drängt sich der Eindruck auf, dass die Beklagte mit dieser außerordentlichen Kündigung versuchte, ihre prozessuale Situation zu verbessern.

Selbst wenn der Kläger eine Erklärung abgegeben haben sollte, er werde am kommenden Montag nicht mehr erscheinen, liegt nach Auffassung der Kammer keine Fallkonstellation vor, die eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich machten. Eine hartnäckige Weigerung, einer Anordnung des Arbeitgebers zur Arbeitsaufnahme zu folgen, kann nicht festgestellt werden, insbesondere da die Beklagte nicht dargelegt hat, dass sie den Kläger überhaupt aufgrund dieser Erklärung zur Arbeitsaufnahme aufgefordert hätte. Es liegt nahe, einem Arbeitnehmer, der über Arbeitskollegen die Mitteilung macht, er werde künftig nicht mehr zur Arbeit erscheinen, ihn auf die Konsequenzen dieses Verhaltens auch im Sinne einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinzuweisen. Dies hat die Beklagte unstreitig nicht getan. Selbst wenn der Kläger gegenüber der Zeugin W. eine derartige Äußerung abgegeben hätte, läge nichts näher, als dass die Zeugin dann den Kläger darauf hingewiesen hätte, die Weigerung zur Arbeit zu erscheinen werde eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung nach sich ziehen.

Da somit nach allem nicht festgestellt werden kann, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine Abmahnung entbehrlich war, sind die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung allesamt richtig und zutreffend und entsprechend auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt.

Die Berufung der Beklagten war demgemäß mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG bestand für die Zulassung der Revision keine Notwendigkeit.

Ende der Entscheidung

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